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26 | 04 | 2024
Innenraum St. Karl

Die in blauer Farbe leuchtende Decke des weiten Hauptraumes zwingt den Blick zu dem in vielen Farben glühenden Wandgemälde von Georg Meistermann, Köln, und auf die davor stehende hochragende Kreuzigungsgruppe von Wilhelm Tophinke, Brühl.
In der Kreuzigungsgruppe, die Tophinke aus einer Edelkastanie des Brühler Schloßparks schuf, und die seit 1951 die Kirche bereichert, wurde die uralte mystische Form des Gabelkreuzes aufgegriffen. Neben dem Kreuz verharren die beiden Gestalten Maria und Johannes, wie in Trauer erstarrt, als seien sie verwachsen mit dem Stamme des Kreuzes. Dieses Monumentalbildwerk zeugt von tiefer seelischer Ausdruckskraft und spricht eine Sprache, die jenseits des Leids schon Verklärung andeutet. Ursprünglich war das Kreuz auf der rückseitigen Wand des Hochchores befestigt. Der Kreuzesstamm wuchs aus dem Körper der unter ihm knienden, schmerzgebrochenen Maria Magdalena hervor. Maria MagdalenaEr ragte über dem damaligen tabernakelgekrönten Hochaltar fast bis zur Decke hinauf. Bei der Neugestaltung des Chorraumes im Jahre 1968 wurde die Gestalt der Maria Magdalena entfernt, weil das Kreuz von der Wand weg direkt auf den Boden zwischen neuem Altar und Rückwand postiert wurde. "Warum", so sagte Meistermann damals, "es nicht von der Wand herunterholen, es wieder auf die Erde stellen, wohin es gehört, seit Christus auf dieser Erde immer noch auf gleicher Ebene mit allen menschlichen Sünden ans Holz genagelt worden war".
Aus seiner Begründung und Deutung "Die renovierte Pfarrkirche St. Karl Borromäus in Köln-Sülz" (1968) sei Meistermann, auch zum Verständnis seines Wandgemäldes, in einer längeren Passage zitiert:
"Auch der Karfreitag ist dauernde Gegenwart, solange Menschen leben ... Und wahrscheinlich gibt es erst nach diesem Tage die die ganze Tiefe aufwühlende Frage nach dem Sinn des menschlichen Leidens. Zeit erschöpft sich im Leiden, aber in der Vernichtung der Zeit erfüllt sich die Ewigkeit. Unser Weg zu ihr ist die Auferstehung, ihre Verheißung die neue Erde. Alle Glorie und alle Wege gehen vom Kreuz aus, das ein für alle Mal auf dieser zeitlichen Erde stehen bleibt. Auf dem Grunde der Düsterheit dieses undurchdringlichen Todes erhält alles eine neue Farbe. Und lange brauchen wir für das Verstehen, dass eine frohe Botschaft, ein Evangelium der Freude, diesem Kreuzestode vorangegangen war. Dies freilich übersteigt unsere Anschauungskraft. Dies fassen wir - wenn überhaupt - in einem Gleichnis, einem Bilde. Dieses Bewusstsein liegt dem Wandbild zugrunde. Die Farben sollen nichts anderes sein als Schatten der Herrlichkeit, die Linien nichts als Stufen und Straßen unseres Geistes, als Wege in eine andere Landschaft, in der der Friede des Heiligen Geistes weilt. Erst wenn das Meer kristallisiert ist (Apokalypse des Johannes), ... wenn alle zeitliche Bewegung erloschen ist, wenn alle Sonnen kalt geworden sind, wird unsere zeitlich anschauende Erkenntniskraft erfüllt sein, und jenseits des Untergangs aller Zeiten ist eine neue Erde. So steht der Altar vor dem Kreuz, das Kreuz vor der erstarrten Wellenbewegung und dem kalten Gelb der Sonne, ... zum Zeichen ihrer Bezogenheit auf das Ende der Zeiten und auf eine neue Welt.

Die Wandmalerei hat drei Zonen, über der ersten, den erstarrten Wellen und der erkalteten Sonne, eine Welt von Farben, die die Wand in der Tiefe gliedern ... Jede Farbe hat im Verhältnis zu einer anderen eine andere Tiefe. In der großen mittleren Zone des Bildes kreisen außerdem die Farben optisch um das Kreuz. Der linke Wandteil ist farbig mächtiger als der rechte und glüht unten in roten Fackeln auf. Man kann darin eine Andeutung der sieben Gaben des Heiligen Geistes als in Zungen dargestellt sehen. Das Bild trägt auch die zwölf Perlen, die die Apokalypse als Tore zu der Ewigen Stadt nennt. Die obere weiße Zone ist beherrscht von einer roten Schwinge, wie das Symbol des Heiligen Geistes seit alten Zeiten überliefert ist. Dieses Symbol ist gestaltet wie ein großes Omega als Zeichen des Beginns der Ewigkeit.
Das Bild soll als eine optische Variation zu einigen Gedanken des hl. Johannes gelesen werden. Aber das Bild hat nicht die Aufgabe, das, was Johannes als undurchdringbares Geheimnis in seiner Vision voller Rätsel geschaut hat, zu illustrieren. Auch das Bild kann nur eine Darstellung von Geheimnissen sein, nicht ihre Erklärung."